Sein Name war Herzsprung, Guido Herzsprung

Woher er kam, wusste keiner. An einem der ersten heißen Tage schob er sein altes Fahrrad mit einem unterm Gepäcksträger festgeklemmten Bündel durchs Hoftor. Den Sommer lang harkte er dann in der Mittagshitze Distel, Melde und Franzosenkraut aus dem Rübenacker; die Flasche mit dem Rotwein, aus der er zwischendurch seinen Durst stillte, im Schatten unter einem Busch. War er fertig, leerte er den Rest, sank ins Gras und schlief so, ausgestreckt am Rücken liegend, bis zum Abend.

Manchmal holte ich ihn zu einer Tasse Kaffee in die Küche; da saß er dann: zerfurcht, verwittert, wortkarg, freundlich.

Viele Jahre kam er mit dem Sommer, ging er mit dem Sommer; wohin, wusste keiner.

Einmal im Winter stieß ich auf die kurze Mitteilung in der Tageszeitung, man habe, aufmerksam geworden durch ein am Waldrand abgestelltes Fahrrad, unweit davon im Gebüsch einen Toten gefunden, leere Rotweinflaschen neben ihm im Schnee, keine Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod schließen ließen; allem Anschein nach sei der Mann erfroren. Wie man herausgefunden habe, handelt es sich um den in der Gegend bekannten obdachlosen Landarbeiter Guido Herzsprung.